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Freitag, 2. November 2012

Hedge-Fonds quälen Argentinien


Merken   Drucken  01.11.2012, 15:35Schriftgröße: AAA

Altschulden:Hedge-Fonds quälen Argentinien

Ein US-Gericht verpflichtet Buenos Aires, Altschulden zurückzuzahlen. Damit gerät die Bonität des Landes in Gefahr. Präsidentin Cristina Kirchner will hart bleiben. von Friederike Böge Berlin und André Kühnlenz Frankfurt
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Faustpfand im Streit um Altschulden: Das argentinische Schulschiff ...  Faustpfand im Streit um Altschulden: Das argentinische Schulschiff „Libertad“ wurde gepfändet und liegt im Hafen von Tema in Ghana fest
Im Streit um die Rückzahlung von Altschulden aus der Zeit des Staatsbankrotts 2001 gerät Argentiniens Regierung zunehmend in Bedrängnis. MehrereRatingagenturen stuften in der Nacht zu Mittwoch die Kreditwürdigkeit des Landes herab, nachdem ein US-Berufungsgericht Buenos Aires in der vergangenen Woche dazu verpflichtet hatte, auch jene Gläubiger auszuzahlen, die sich nicht an einer Umschuldung beteiligt haben.
Mit seiner Weigerung, dies zu tun, verstoße Argentinien gegen Bestimmungen zur Gleichbehandlung von Gläubigern, urteilten die New Yorker Richter. Geklagt hatten die Fondsgesellschaften Elliott und Aurelius, die noch 1,33 Mrd. Dollar (1 Mrd. Euro) von Argentinien verlangen.
Die argentinische Präsidentin Cristina Fernández de Kirchner Die argentinische Präsidentin Cristina Fernández de Kirchner
Mit dem Urteil, das noch nicht rechtskräftig ist, erleidet Präsidentin Cristina Fernández de Kirchner bereits die zweite große Niederlage gegen Altgläubiger innerhalb kurzer Zeit. Vor drei Wochen hatte ebenfalls Elliott vor einem ghanaischen Gericht erwirkt, dass ein Schulschiff der argentinischen Marine in einem Hafen des afrikanischen Landes als Faustpfand beschlagnahmt wurde.
In beiden Fällen dürfte die Präsidentin trotz der Gerichtsurteile so schnell nicht einlenken. Denn die Umschuldung der Verbindlichkeiten im Jahr 2005 gilt in Kirchners Regierungspartei als Meilenstein der Wirtschaftspolitik ihres verstorbenen Ehemanns und Vorgängers Néstor Kirchner. Nach dreijährigen Verhandlungen hatte der Präsident die Gläubiger von 93 Prozent der Schulden überzeugt, einen Abschlag von 70 Prozent zu akzeptieren. Die Einigung legte die Basis für den anschließenden Wirtschaftsaufschwung Argentiniens mit jahrelangem Bilderbuchwachstum von acht bis neun Prozent.
Die Umschuldung gilt unter den Peronisten als so großer Erfolg, dass Buenos Aires sich immer wieder als Vorbild für das überschuldete Griechenland ins Gespräch bringt. Die Gläubiger, die sich nicht an dem Schuldenschnitt beteiligten, bezeichnet Kirchner mit Vorliebe als "Geierfonds". Damit bedient die Präsidentin Ressentiments, die nach dem traumatischen Staatsbankrott in Argentinien weit verbreitet sind.

Auf Dollar-Entzug
Eingeschränkt Seit Herbst 2011 hat die Regierung den Zugang von Unternehmen und Bürgern zu Dollar stark eingeschränkt. Vielen Firmen fehlen inzwischen die Devisen, um Ersatzteile und Vorprodukte zu importieren.
Verweigert Anfang Oktober zahlte die Provinz Chaco Verbindlichkeiten für Dollar-Bonds in Peso aus. Offenbar verweigerte die Zentralbank der Provinz den Zugang zu Dollar. Der Schritt hat Furcht vor einer "Pesoisierung" von Anleihen ausgelöst.

Das New Yorker Gerichtsurteil dürfte die Rückkehr Argentiniens auf die internationalen Finanzmärkte weiter verzögern. Nach Einschätzung der Ratingagentur Standard & Poor's ist mit dem Richterspruch das Risiko gestiegen, dass Argentinien formal erneut zahlungsunfähig wird. Damit wären auch jene Gläubiger betroffen, die sich mit der Regierung auf einen reduzierten Schuldendienst geeinigt hatten. Derzeit überweist Buenos Aires fällige Zahlungen an einen Treuhänder, der in den USA registrierte Anleihebesitzer auszahlt.
Ob die Zahlungen nun auch an die klagenden Fondsgesellschaften abgezweigt werden könnten, ist noch unklar. Das Berufungsgericht muss die Zahlungsmodalitäten noch festlegen. Zudem kann Argentinien den Fall vor den Obersten Gerichtshof bringen. Es ist nicht das erste Mal, dass Buenos Aires im Streit um die Altschulden vor Gericht unterliegt. Vor amerikanischen und britischen Gerichten sollen Gläubiger Zahlungsbefehle über 1,6 Mrd. Dollar gegen Argentinien erstritten haben.
Die Ratingagentur Fitch stellte Argentinien nach dem New Yorker Urteil unter verschärfte Beobachtung, auch die Bonität wurde auf die Beobachtungsliste gesetzt. Zwar beließ Fitch das langfristige Rating bei "B". Allerdings sei die Wahrscheinlichkeit gestiegen, dass dem Land eine weitere Ratingherabstufung bevorstehe. Die Ratingagentur Standard & Poor's nahm die Bewertung der Kreditwürdigkeit Argentiniens um einen Schritt von "B" auf "B-" zurück - das sind noch fünf Stufen über dem, was S&P als Zahlungsausfall bewertet. Den Ausblick beließ die Agentur auf "negativ".
Neben dem Urteil von New York begründeten die Prüfer die Herabstufung auch mit der Beschlagnahmung des Segelschulschiffs "Libertad" in Ghana vor drei Wochen. Der Fall hat in Buenos Aires ein politisches Erdbeben ausgelöst. Marinechef Admiral Carlos Alberto Paz musste seinen Hut nehmen, weil weder Verteidigungs- noch Außenministerium die Verantwortung dafür übernehmen wollten, dass der Dreimaster überhaupt den ghanaischen Hafen Tema angelaufen hatte. Denn gemeinhin wird die Route des prestigeträchtigen Schulschiffs ebenso wie Flüge mit Regierungsmaschinen sorgsam daraufhin geprüft, ob eine Pfändung droht. Aus diesem Grund hatte etwa der frühere Präsident Néstor Kirchner vor Jahren einen Besuch in Deutschland abgesagt.
Seine Witwe, die heutige Präsidentin, scheiterte mit dem Versuch, wegen des Schiffs den Uno-Sicherheitsrat anzurufen. Uno-Generalsekretär Ban Ki-moon bot lediglich an, dass die Vereinten Nationen zwischen der Regierung und dem Investmentfonds vermitteln könnten. Doch Präsidentin Kirchner lehnt Verhandlungen ab: "Solange ich Präsidentin bin, können sie die Fregatte behalten, aber die Freiheit, Souveränität und Würde dieses Landes wird uns weder ein Geierfonds noch sonst jemand wegnehmen", sagte sie.

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