US-Gericht fährt Argentinien bei Altschulden in die Parade
Von KEN PARKS und DAVID LUHNOW
Eine Staatspleite wirkt lange nach. Argentinien musste vor elf Jahren den Offenbarungseid leisten und hat die Folgen noch immer nicht bewältigt. Vor einem US-Gericht erlitt das südamerikanische Land jetzt eine schwere Schlappe. Richter Thomas Griesa entschied, dass Argentinien rasch auch jene Gläubiger befriedigen müsse, die bei der Umschuldung keine neuen Bedingungen ausgehandelt hätten, sondern auf ihren kompletten Forderungen beharren.
Jetzt fürchten Investoren, dass Argentinien sich weigern wird überhaupt zu zahlen. Das US-Gericht untersagte Argentinien die Zahlung von 3 Milliarden US-Dollar an jene Gläubiger, die auf einen Teil ihrer Forderungen verzichtet haben, solange die Regierung nicht weitere 1,3 Milliarden für Inhaber von Schuldtiteln aufbringe, die sich an dem Schuldenschnitt nicht beteiligt hatten.
Als denkbar schlechtestes Ergebnis für Argentinien bezeichnete Anwalt Eugenio Bruno von der argentinischen Kanzlei Estudio Garrido die Gerichtsentscheidung. Er vertritt etliche Gläubiger, die das Angebot akzeptiert haben. Argentiniens Wirtschaftsminister Hernan Lorenzino sprach nach dem Urteil gar von „juristischem Kolonialismus". Die Regierung werde den Richterspruch nicht akzeptieren, sondern die Angelegenheit notfalls bis vor den Obersten Gerichtshof der USA bringen. Lorenzino sagte allerdings nicht, ob die Regierung daran festhalte, den Verweigerern des Schuldenschnitts auf ihre Forderungen nichts auszuzahlen.
Am Donnerstag fielen argentinische Staatsanleihen im Wert. Anleger fürchten, dass die Regierung nicht zahlt. In Buenos Aires fielen in Dollar ausgestellte Obligationen um 14 Prozent, während Obligationen in Peso um 7,6 Prozent verloren.
Distriktrichter Griesa verband mit seinem Urteil die Hoffnung, dass Argentinien einlenken werde und auch die Verweigerer des Schuldenschnittes mit Geld bedenke. Sollte sich die Regierung weigern, käme es zu einem technischen Zahlungsausfall für Schuldtitel im Volumen von rund 24 Milliarden Dollar, die bei den Umschuldungsrunden 2005 und 2010 ausgegeben worden waren.
Der Rechtsstreit wird weithin beobachtet, weil er eine Marschrichtung für künftige Staatspleiten vorgeben könnte und strategischen Investoren Hinweise für ihr eigenes Vorgehen. Möglicherweise werden es sich einige Anleger künftig genau überlegen, ob sie in Umschuldungsverhandlungen einsteigen, wenn ihre Forderungen anschließend von denen blockiert oder verzögert werden, die sich diesem Prozess verweigert haben.
„Was bedeutet das für künftige Umschuldungen", fragt Alberto Bernal, Research-Chef bei Bulltick Capital Markets. „Niemand, der bei vollen Verstand ist" würde noch einem Schuldenschnitt zustimmen, wenn er nach einiger Zeit und unter Zuhilfenahme des richtigen Anwalts die vollen 100 Prozent zurückbekommt, sagte Argentiniens Wirtschaftsminister Lorenzino.
Argentiniens Kampf mit den Umschuldungsverweigerern, die das Land selbst als „Geiferfonds" abqualifiziert, geht auf das Jahr 2001 zurück, als das Land unter einer Schuldenbelastung von 100 Milliarden Dollar zusammenbrach. Der überwiegende Teil der Gläubiger beteiligte sich an zwei Umschuldungsrunden in den Jahren 2005 und 2010 bei dem sie 33 Cent je Dollar erhielten. Doch eine kleine Gruppe wartete ab und zerrt das Land vor Gericht, um die komplette Forderung einzuklagen.
Jetzt beklagen sich jene, die sich beteiligten, damit Argentinien seine Verschuldung tragen konnte. Die Strategie der Verweigerer und von US-Richter Griesa sei unfair, weil sie sie als Hebel missbrauche. Nicht nur Argentinien und die Schuldenschnittverweigerer stehen jetzt gegeneinander, auch verschiedene Gläubiger untereinander haben jetzt Stress miteinander, darunter einige der großen Namen an der Wall Street.
Die Gruppe der Verweigerer wird angeführt vom Milliardär Paul Singer und NML Capital, einer Tochtergesellschaft seiner Investmentholding Elliott Management. Nach sieben Jahren der Auseinandersetzung vor Gericht bekamen die Kläger Rückenwind, als ein Gericht ein argentinisches Marineschiff in Ghana festsetzte.
„Ich bin empört", sagte nach dem Urteil der mexikanische Finanzier David Martinez, dessen Investmentgesellschaft Fintech neue argentinische Anleihen im Volumen von etwa 1 Milliarde Dollar hält. „Der Richter ist genervt von Argentinien, darf deshalb aber nicht Dritte als Geisel nehmen. Argentinien wird nicht zahlen, insofern trifft er ausschließlich uns", klagte Martinez.
„Angesichts der offensichtlichen Enttäuschung von Richter Griesa mit der Republik Argentinien hatten wir ein solches Urteil erwartet. Was wir nicht erwartet haben, war die Missachtung der Rechte von unschuldigen Anleiheinhabern, die an der Umschuldung teilgenommen haben", sagte Sean O'Shea, der als Anwalt Anleiheinhaber vertritt, die auf Forderungen verzichtet haben.
Die Kläger dagegen argumentieren, sie hätten nicht vor, die umgeschuldeten Gläubiger um ihr Geld zu bringen. Sie wollten nur wie alle anderen ihr Geld bekommen. Argentinien solle einfach eine größere Zahlung im Dezember und zukünftig leisten.
—Mitarbeit: Shane Romig und Ianthe Jeanne Dugan
Kontakt zu den Autoren: redaktion@wallstreetjournal.de
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