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Dienstag, 27. November 2012

Argentinien-Anleihen droht neuer Zahlungsausfall FAZ Print 27.11.2012 von Carl Moses

Argentinien-Anleihen droht neuer Zahlungsausfall

FAZ Print 27.11.2012


Auch die mit der Abwicklung betraute
Bank of New York sowie andere beteiligte
Intermediäre sind von dem Verbot
betroffen.




Die argentinische Regierung
kann und will zahlen - aber
nicht alles, was ein amerikanisches
Gericht vorschreibt.
mos. BUENOS AIRES, 26. November.
Knapp elf Jahre nach der Staatspleite
von 2001 steht Argentinien möglicherweise
abermals vor einem Zahlungsausfall.
Die Prämien für Kreditausfallversicherungen
(CDS) auf argentinische
Staatsanleihen schossen in den letzten
Tagen auf ein Rekordniveau, das weltweit
nur noch von Griechenland übertroffen
wird. Dabei kann und will Argentiniens
Regierung vermeintlich zahlen.
Mit einer sehr unpopulären Maßnahme
hat Argentiniens Staatspräsidentin Cristina
Kirchner sogar den Zugriff der Bürger
auf knappe Devisen beschränkt, um sicherzustellen,
dass die Zentralbank über
ausreichend Fremdwährung zur Bedienung
der Schulden verfügt.
Das Problem: Ein amerikanisches Gericht
verlangt von Argentinien die Begleichung
von Altschulden, deren Gläubiger
nach Ansicht der argentinischen Regierung
ihr Recht auf Bezahlung verwirkt
haben, weil sie frühere Umschuldungsangebote
nicht akzeptiert hatten. Zusätzlich
verbietet das Gericht Argentinien
und den im Zahlungsprozess involvierten
Banken, jedwede Schuldenzahlung
zu leisten, solange Argentinien nicht
gleichzeitig auch die umstrittenen Altschulden
bedient. Argentiniens Regierung
steckt in einer Zwickmühle. Folgt
sie dem Gerichtsurteil oder ihren Prinzipien?
Die Gläubiger müssen zittern.
Damit geht die Geschichte der bisher
größten Staatspleite in eine neue Etappe.
Argentinien hatte nach seinem Staatsbankrott
von 2001 in drei Umschuldungsrunden
2005 und 2010 insgesamt 93 Prozent
der Gläubiger von rund 100 Milliarden
Dollar dazu bewegen können, auf
mehr als zwei Drittel ihrer Ansprüche zu
verzichten. Alle bei diesen Umschuldungsrunden
ausgegebenen neuen
Staatspapiere hat Argentinien seither
pünktlich bedient.
Die Wirtschaft des Landes erholte sich
rasant. Viele der Gläubiger, die Argentiniens
harsche Umschuldungsbedingungen
seinerzeit nicht akzeptiert hatten, haben
das Land unterdessen vor Gerichten
in aller Welt auf die volle Zahlung ihrer
Ansprüche verklagt und in vielen Fällen
entsprechende Zahlungsurteile erstritAuch
ein Jahrzehnt nach der Verschuldungskrise sind die sozialen Nöte in Argentinien sichtbar.
ten. Bisher waren diese „Holdouts“ indes
kaum in der Lage, irgendwo auf der Welt
eine Vollstreckung ihrer Forderungen zu
erreichen. Mehr als zwei Dutzend Versuche
zur Pfändung von argentinischem
Staatseigentum wie dem Präsidentenflugzeug,
Botschafterresidenzen oder Zentralbankreserven
schlugen fehl.
Doch der Hedgefonds NML Capital
Ltd. aus dem Imperium des amerikanischen
Milliardärs Paul Singer, der notleidene
Argentinien-Anleihen zu Ramschpreisen
aufgekauft hatte, scheint nun einen
Weg gefunden zu haben, um Forderungen
von rund 1,33 Milliarden Dollar
gegen Argentinien durchzusetzen. Dass
es Singer gelang, in einer spektakulären
Aktion Anfang Oktober das Segelschulschiff
der argentinischen Marine in Ghana
festsetzen zu lassen, sorgte zwar für
weltweites Aufsehen, ist jedoch eher von
symbolischem Wert.
Wichtiger ist der Erfolg einer Klage
von NML in den Vereinigten Staaten.
Praktisch alle Schuldenzahlungen Argentiniens
an ausländische Gläubiger werden
über den Finanzplatz New York abgewickelt.
Vor einem Gericht in New York
klagte NML, Argentinien verstoße mit
seiner Schuldenpolitik, die umgeschuldete
Anleihen pünktlich bedient, Altschulden
jedoch ignoriert, gegen die in den
Anleihebedingungen zugesicherte
Gleichbehandlung der Gläubiger. Der
Distriktrichter Thomas Griesa gab NML
im Februar 2012 recht. Ein Berufungsgericht
bestätigte im Oktober die Ansprüche
von NML und einigen Nebenklägern.
Zu klären blieb lediglich die konkrete
Höhe und Modalität der von Argentinien
zu leistenden Zahlungen.
Argentiniens Staatschefin Kirchner erklärte
umgehend, ihr Land werde „nicht
einen einzigen Dollar an Geierfonds zahlen“.
In der Nacht zum Thanksgiving-
Fest am vergangenen Donnerstag reagierte
Richter Griesa mit einer für viele Beobachter
überraschend harten Verfügung.
Danach muss Argentinien NML den vollen
Nominalwert der Anleihen und alle
aufgelaufenen Zinsen ohne weiteren Verzug
zahlen. Vorbehaltlich einer neuen Revision
des Berufungsgerichts soll Argentinien
die 1,33 Milliarden Dollar auf einem
Treuhandkonto deponieren. Andernfalls
dürfe eine am 15. Dezember fällige
Zahlung von 3,5 Milliarden Dollar
auf Umschuldungspapiere nicht gezahlt
werden. Auch die mit der Abwicklung betraute
Bank of New York sowie andere beteiligte
Intermediäre sind von dem Verbot
betroffen.

Richter Griesa begründete sein harsches
Urteil mit den wiederholten Äußerungen
von Staatschefin Kirchner und anderen
Regierungsmitgliedern, wonach
Argentinien kein Urteil zur Zahlung an
Umschuldungsverweigerer befolgen werde.
Griesa hat Argentinien immer wieder
Aufschub gewährt und Pfändungsklagen
abgewiesen. Nun scheint der 82-Jährige
die Geduld zu verlieren.
„Nach zehn Jahren Rechtsstreit ist das
ein gerechtes Ergebnis“, begründete
Griesa sein Urteil. „Argentinien ist das
schuldig, und es schuldet das jetzt.“ Aufgrund
der erklärten Verweigerungshaltung
der Regierung müsse das Gericht sicherstellen,
dass Argentinien keine neuen
Wege finde, sich seinen Verpflichtungen
zu entziehen. Griesas Verfügung sei
„juristischer Kolonialismus“, empörte
sich Argentiniens Wirtschaftsminister
Hernán Lorenzino. „Es fehlt nur noch
dass sie die 5. Flotte in Gang setzen.“ Argentinien
will nun versuchen, vor dem
Berufungsgericht eine Revision des Zahlungsbefehls
zu erwirken. Eines hat das
Gericht hat in seinem Oktober-Urteil
freilich erkennen lassen. Es dürfte kaum
akzeptieren, dass Argentinien den
Holdouts gar nichts zahlt.

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