Rechtsstreit um AnleiheschuldenTeilerfolg für Argentinien vor Berufungsgericht
29.11.2012 · Ein amerikanisches Berufungsgericht hat entschieden, dass Argentinien seine Gläubiger zunächst noch nicht bedienen muss. Das Urteil könnte künftige Umschuldungen erschweren.
Von CARL MOSES, BUENOS AIRES, STEFAN RUHKAMP, FRANKFURT
Argentinien hat in einem Rechtsstreit um notleidende Anleiheschulden Zeit gewonnen. Ein amerikanisches Berufungsgericht hat ein Urteil des New Yorker Distriktrichters Thomas Griesa ausgesetzt, das Argentinien zur Zahlung von 1,33 Milliarden Dollar an eine Gruppe von Gläubigern verpflichtet, die nach dem Staatsbankrott von 2001 mehrere Umschuldungsangebote Argentiniens mit einem Schuldenschnitt um zwei Drittel abgelehnt hatten.
Griesa hatte vergangene Woche geurteilt, Argentinien müsse den Umschuldungsverweigerern (Holdouts) den vollen Nennwert der Anleiheschulden zuzüglich aller aufgelaufenen Zinsen zahlen. Um die Befolgung seines Urteils sicherzustellen, hatte Griesa überdies bestimmt, Argentinien dürfe keinerlei laufende Schuldenzahlungen mehr leisten, ohne gleichzeitig die Forderungen der Holdouts zu bedienen.
Der Richter geht noch einen Schritt weiter
Das Urteil des 82 Jahre alten Richters wird auf den Finanzmärkten aufmerksam verfolgt, weil es - so die Befürchtung - künftige Umschuldungen erschweren könnte. Kann oder will ein Staat seine Schulden nicht mehr bedienen, versucht er, seine Gläubiger zum Verzicht zu bewegen. Bei solchen Verhandlungen gibt es immer wieder Investoren, die sich in der Hoffnung verweigern, später den vollen Betrag zu erhalten oder zumindest ein besseres Angebot. Diese Strategie ist jedoch dadurch erschwert, dass es weltweit fast unmöglich ist, Vermögenswerte eines ausländischen Staates zu pfänden. Mit anderen Worten: Man kann keinen Gerichtsvollzieher in die argentinische Botschaft schicken.
Nun hat jedoch Richter Griesa eine seit vielen Jahrzehnten in Anleihebedingungen verwendete Klausel neu ausgelegt. Die Pari-Passu-Klausel schreibt die Gleichbehandlung von gleichartigen Forderungen vor. Griesa sieht die Forderungen der Holdouts gleichrangig mit denen der Inhaber der Umschuldungsanleihen. Das verpflichtet zu Zahlungen an beide Investorengruppen. Der Richter geht noch einen Schritt weiter und nimmt auch alle anderen an den Zahlungsvorgängen beteiligten Parteien mit in die Pflicht, dafür zu sorgen, dass sein Urteil vollzogen wird.
Zu allererst ist das in diesem Fall die Bank of New York, die als Treuhänder der Inhaber der Umschuldungsanleihen die argentinischen Zahlungen in Buenos Aires entgegen nimmt und das Geld über Partnerbanken in aller Welt an die Inhaber der Schuldtitel weiterleitet. An diesem Prozess sind dann auch andere Banken und Finanzdienstleister beteiligt. Das können auch europäische Abwickler und deutsche Banken sein. Und all diese Parteien will Griesa an seinen Urteilsspruch binden.
Das Verfahren wird wohl den Supreme Court beschäftigen
Entsprechend groß ist die Aufregung in der Branche, zumal eine Stärkung der Position der Holdouts und damit Komplikationen für künftige Umschuldungen befürchtet werden. Diese Sorge sei jedoch übertrieben, erläutert Adam Lerrick, der als Berater und Vertreter der Anleihegläubiger an der argentinischen Umschuldung beteiligt war. Einfluss habe der mögliche Urteilsspruch und die damit verbundene Rechtsprechung nur auf einen kleinen Teil - etwa 10 Prozent - aller Staatsanleihen und auch nur dann, wenn es zu einer Zahlungsstörung komme und wenn der Gerichtsstand im Ausland sei. Alle anderen hätten keine Pari-Passu-Klausel. Für die Zukunft sei eine Lösung für das Problem, falls es überhaupt zu einem Urteil im Sinne des New Yorker Richters komme, einen anderen Gerichtsstand als New York zu wählen. Dann könnten Holdouts allerdings mit Bezug auf das Urteil auch dort ein ähnliches Verfahren anstrengen.
Deshalb sei die für Emittenten von Staatsanleihen sicherste Lösung, die Pari-Passu-Klausel wegzulassen. Lerrick erwartet aus diesem Grund nicht, dass das New Yorker Verfahren nachhaltigen Einfluss auf die Umschuldungspraxis haben wird. Noch hat sich die Einschätzung des New Yorker Richters ohnehin nicht durchgesetzt. Lerrick rechnet damit, dass das Verfahren den Supreme Court beschäftigen wird.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen