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Mittwoch, 28. März 2007

am 19.3.2007 hat der 8. Senat des OLG Frankfurt eine Berufung nach § 522 ZPO einstimmig zurückgewiesen

OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN
BESCHLUSS

In dem Rechtsstreit
Republik Argentinien vertreten durch den Präsidenten Nestor Kirchner, (casa ro¬sa), Rua 9 de

Juiro, RA 1064 Buenos Aires, Argentinien,
Beklagte, Berufungsklägerrn und AnschPussberufungsbeklagte,

Prozessbevollmächtigter:
Rechtsanwalt Woffgang Strba, Eschenheimer Anlage 28( 60318 Frankfurt am
Main,

gegen

NN
Klager, BerufungsbeWagter und Anschlussberufungskläger,
Prozessbevollmächtigter:

NN

hat der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichte Frankfurt am Main am 19.3. 2007 gem. § 522 Abs. 2

ZPO einstimmig beschlossen:
Die Berufung der Beklagten gegen das Urkundenvorbehaltsurteil des Land¬gerichts Frankfurt am

Main vom 28. 7. 2006 (Az.: 2-21 0 xyz/05) wird zu¬rückgewiesen.



Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der Kosten der

Anschlussberufung zu tragen.

Gründe:
Der Senat hat die Beklagte bereits mit Beschluss vom 5. Februar 2007 daraufhingewiesen, dass er ihre Berufung durch einstimmigen Beschluss zurückweisen will, weil die Berufungsbegründung keinen Anlass gibt, die bisherige Rechtsprechung des Senats (ausgehend von der Entscheidung vom 13.6. 2006 - 8 U 107/03 = NJW 2006, 2931) zu ändern, Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die Begründung des Hinweisbeschlusses verwiesen (Blatt 573 - 580 d. A.).

Die Ausführungen der Beklagten in ihrem Schriftsatz vom 1. März 2007 rechtfertigen keine andere Beurteilung.

1. Die Beklagte hat nicht aufgezeigt, dass die tatsächlichen Feststellungen des Senats

zum Wegfall des Staatsnotstands unvollständig oder fehlerhaft wären.
Der Senat hat in seiner o. g. Entscheidung herausgestellt, dass es der Beklagten gelungen ist,
ein aus ihrer Sicht sehr erfolgreiches Umschuldungsverfahren durchzuführen, bei dem die
Regierung der Beklagten den Privatgläubigern von mehr als 100 Mrd US$ - Zins- und Anleiheschulden einen Barverzicht in Höhe von ca. ¾ % ihrer Forderungen abverlangt hat (FAZ NET vom 2, Januar 2007 - Anlage II zu dem o. g. Schriftsatz - Blatt 468 d. A.). Dies hatte
einen besonders großen Aussagegehalt, weil die Beklagte ihre Zahlungsaussetzung im Jahr 2002 mit der Notwendigkeit von Umschuldungsverhandlungen begründet hatte.
Die Umschuldungsverhandlungen sind abgeschlossen, der Schuldendienst auf die neuen Anleihen ist aufgenommen. Die Gläubiger der nicht umgetauschten Schuldverschreibungen können nicht auf Nachverhandlungen hoffen. Es ist daher nicht ersichtlich, warum der Senat die Notstandseinrede noch immer berücksichtigen und diesen Gläubigern Rechtsschutz verweigern sollte. Die Beklagte setzt sich weder in der Berufungsbegründung noch in ihrem o, g. Schriftsatz damit aus-

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einander. Sie legt vor allem nicht dar, warum trotz der erheblichen Verminderung ihrer Schuldenlast bei Rückführung sämtlicher Verpflichtungen noch eine ernsthafte Gefahr für essentielle Staatsinteressen bestehen würde.

Der Senat hat in diesem Zusammenhang u, a. auf die vorzeitige Rückführung der
offenen Verbindlichkeiten gegenüber dem Internationalen Währungsfonds (IWF)
abgestellt. Dies bezog sich ebenfalls auf die ursprüngliche Rechtsverteidigung der
Beklagten, wonach nur eine enge Zusammenarbeit mit dem IWF als Geldgeber
und Kontrollorgan den Staatsnotstand der Beklagten beseitigen könne. Den Widerspruch zwischen ihrem Sachvortrag und ihrem eigenen Verhalten hat die Beklagte nach wie vor nicht aufgeklärt

Ihre Ausführungen zur Rückzahlung ihrer eigenen Zahlungsverbindlichkeiten durch Devisenüberschüsse der argentinischen Zentralbank gehen an der Sache vorbei. Es geht nicht darum, die nicht umschuldungsbereiten

Privatgläubiger aus den Devisenüberschüssen vorrangig zu befriedigen. Der Senat hatte allein
zu prüfen, ob aufgrund des Vortrags der Beklagten und im Hinblick auf ihr eigenes Verhalten
noch die Voraussetzungen des Staatsnotstands gegeben sind. Das hat er im Hinblick auf die
unzureichenden Ausführungen der Beklagten abgelehnt (Seiten 12 - 14 der o. g. Ausgangsentscheidung). In gleicher weise verhält es sich mit der Erklärung des Vertreters der Beklagten in
inanziellen Angelegenheiten, Herrn Frederico C. Molina vom 25.4. 2006, Der Senat hat der
Beklagten schon in seiner Ausgangsentscheidung vorgehalten, dass ihm diese pauschale
und durch keine konkreten Tatsachen untermauerte Aussage eines ihrer Repräsentanten nicht ausreicht. Die Beklagte hat auch in ihrem neuerlichen Schriftsatz diese Lücke nicht geschlossen.
Die Beklagte kann sich nicht auf ihre Ausführungen zur Verschuldungssituation und zur
Unterdeckung der Schuldenlast berufen. Sie sind unerheblich, weil die vorzeitige Rückzahlung

des Kredits an den IWF aus Devisenüberschüssen, die Ausgabe neuer Anleihen und die wesentlich verbesserte Bewertung ihrer Leistungsfähigkeit an den internationalen Kapitalmärkten zeigen, dass die Beklagte wieder finanzpolitischen Handlungsspielraum gewonnen hat (vgl, dazu auch Baars/Böckel ZBB 2004,445, 461; Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 15.11.

2006 -Venezuela und Argentinien lancieren „Anleihe des Südens"; ferner Seite 13. zweiter

Absatz des Ausgangsurteils). Daran hat sich auch in den vergangenen Monaten nichts geändert. Die positive wirtschaftliche und finanzielle Entwicklung der Beklagten setzt sich fort. Sie hat auch im vergangenen Jahr ein Wachstum ihres Bruttoinlandsprodukts in Habe von 8.5 % vermelden können. Die Beklagte erzielt seit mehreren Jahren aufgrund gestiegener Weltmarktpreise für ihre Exportgüter anhaltend hohe Devisenzuflüsse und außerdem gestiegene Steuereinnahmen, was es ihrer Regierung ermöglicht, hohe Haushaltsüberschüsse zu erwirtschaften und gleichzeitig die inländische Nachfrage mit Subventionen aller Art zu stützen (vgl. Bundesagentur für Außen- Wirtschaft – bfai: Argentinien - Wirtschaftstrends zum Jahreswechsel 2006/2007 -Gesamtwirtschaftlicher Ausblick, veröffentlicht unter www.bfai.de sowie der o. g. Beitrag In FAZ NET vom 2. 1. 2007).

Die Behauptung der Beklagten, frei werdende Finanzmittel müssten vollständig für die
Bedienung umgetauschter Anleihen verwendet werden, deren Wert teilweise an die Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts gebunden sei, lässt sich damit nicht vereinbaren. Sie ist auch nicht konkretisiert worden.
2. Die Beklagte hat nicht aufzeigen können, dass dem Senat Rechtsfehler bei
der Bewertung ihrer Notstandsgesetze unterlaufen wären. Sie hat noch immer
nicht klargestellt, welche Norm als Eingriffsnorm im Sinne des deutschen Internationalen

Privatrechts herangezogen werden soll, denn auch das von ihr bemühte
Notstandsgesetz vom 13.12. 2006 enthält keine konkreten Vorschriften über die Aussetzung der

Zahlungen auf die streitgegenständlichen Anleihen.
Sofern der Senat die Notstandsgesetze der Beklagten untersucht und als unerheblich bewertet
hat, beruht dies auf der in Literatur und Rechtsprechung zu Artikel 34 EGBGB vorherrschenden Rechtsmeinung (vgl Palandt-Heldrich, BGB 65. Auflage (2006), Rn 4, 5 zu Art. 34 EGBGB m. w,N.). Unabhängig davon würde die Beachtung der Notstandsgesetze im Wege einer Sonderanknüpfung zu einem Verstoß gegen den sog. ordre public führen. Das Ist schon in der Ausgangsentscheidung näher begründet worden.

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Die Beklagte teilt diese Auffassung nicht, weil sie ihre Notstandgesetze einem Insolvenzeröffnungsbeschluss gleichstellen will. Das ist aber gerade nicht zulässig, weil im Internationalen Währungsrecht keine verbindlichen Vorgaben für die Zah¬lungsunfähigkeit von Staaten bestehen, so dass sich die Beklagte - wenn allein die Entscheidung ihrer eigenen
Volksvertreter maßgeblich wäre - einer Kontrolle unabhängiger internationaler Instanzen bzw.
der zuständigen nationalen Fachgerichte über ihre Zahlungsfähigkeit gänzlich entziehen
könnte. Dies wiederum wäre aus den in der Ausgangsentscheidung genannten Gründen mit dem Grundsatz der Vertragstreue als einem der wesentlichen Grundsätze des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar (Artikel 6 EGBGB). Gleiches würde gelten, wenn man das Moratorium international-privatrechtlich als Enteignung oder als enteignungsgleichen Eingriff
qualifizieren würde, weil die Beklagte auch nicht gewillt ist, die Gläubiger der nichtm umgetauschter Schuldverschreibungen in irgend einer Form zu entschädigen (vgl, Baars/Böckel
ZBB 2004, 457 f.; Schantz VuR 200S, 310, 312).

3, Der Rechtsstreit hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO), Der
Senat hat sich dazu schon in der o. g. Ausgangsentscheidung geäußert Er sieht sich durch die
zwischenzeitlich ergangene Entscheidung des Bun¬desverfassungsgerichts vom 14. 9, 2006 (Az: 2 BvR 1504/05) bestätigt, in der die dagegen erhobene Verfassungsbeschwerde der Beklagten nicht zur Entscheidung angenommen worden ist. Das Bundesverfassungsgericht hat klargestellt, dass der Beklagten nicht in unzumutbarer Weise der Weg in die Revision erschwert worden Ist, weit die Entscheidung des Senats, die Revision in diesem und anderen Parallelverfahren nicht zuzulassen, vertretbar begründet und von sachgerechten Kriterien geleitet worden ist.

Die von der Beklagten aufgeworfenen Rechtsfragen bedürfen keiner grundsätzlichen Klärung
durch den Bundesgerichtshof. Der Senat hat sich bei der Frage, ob die Notstandsgesetzgebung
der Beklagten als (international-privatrechtliche) Eingriffsnorm zu beachten ist, an der
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs orien¬tiert. Die Beklagte hat nicht darlegen können,
dass entscheidungserhebliche Rechtsfragen zur Qualifikation der Notstandsgesetzgebung offen
geblieben wären.

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Die Frage, ob der Senat befugt ist, die Voraussetzungen des Staatsnotstands eigenständig zu
prüfen und zu bewerten, muss ebenfalls nicht grundsätzlich durch den Bundesgerichtshof geklärt werden. Auch in dieser Frage hat sich der Senat nämlich ausschließlich an den gesetzlichen Vorgaben und an der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs orientiert. Der Senat war verpflichtet, sich seine Oberzeugung über die tatsächlichen Voraussetzungen des
Staatsnotstandes auf Grundlage des gesamten Sach- und Streitstandes zu bilden, wobei auch
allgemeinkundige Tatsachen in die Beweiswürdigung einfließen mussten (§§ 286 Abs. 1,291 ZPO).

Die Beklagte hat den Inhalt der vom Senat herangezogenen Presseberichte nicht angezweifelt, so dass sie sich nun nicht mehr darauf zurückziehen kann, es handele sich um unerhebliches
„Zeitungswissen".

Eine Entscheidung des Revisionsgerichts Ist auch nicht zur Fortbildung des Rechts erforderlich
(§ 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Die Beklagte meint, für die Entscheidung des vorliegenden
Rechtsstreits seien rechtliche Vorfragen des Bestehens, des Umfangs und der darauf folgender»
prozessualen materiellrechtlichen Konsequenzen des Staatsnotstands zu klären. Diese Fragen
wollte sie bislang vom Bundesverfassungsgericht beantwortet wissen. In dem o. g. Beschluss hat das Bundesverfassungsgericht aber klargestellt, dass die Umstände zur Bewertung der Frage, ob sich ein Staat im Notstand befindet, überwiegend tatsächlicher Natur sind, und deshalb den Fachgerichten obliegen. Der Senat hat sich - wie schon dargestellt - an der
Zivilprozessordnung und der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs orientiert.

Die Beklagte ist deshalb eine stichhaltige Begründung für ihr Anliegen schuldig geblieben.
Zuletzt gebietet auch die Wahrung einer einheitlichen Rechtsprechung nicht die Zulassung der
Revision. Dazu hat der Senat bereits In seiner Entscheidung vom 29.9. 2006 ausführlich
Stellung genommen (Az.: 8 U 60/03). Der Umstand, dass mehrere Dezernenten des Amtsgerichts Frankfurt eine vom Senat abweichende Rechtsauffassung zur Maßgeblichkeit der

Notstandsgesetzgebung vertreten, hat zu den vor dem Bundesverfassungsgericht noch immer
anhängigen Normenverifikationsverfahren geführt. Wegen des Instanzenzugs zum Senat ist die in § 543 Abs. 2 Nr, 2 ZPO erforderliche Gefahr divergierender Entscheidungen im Ender¬gebnis nicht zu befürchten (§119 Abs. 1 Nr. 1 b GVG).

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Für den Senat ist nicht erkennbar, warum die Entscheidung des. italienischen Kassationshofs
vom 21.4. 2005 für die Beurteilung durch ein deutsches Fachgericht maßgeblich sein sollte.
Auch insoweit bleibt die Beklagte eine Erklärung schuldig. Ebenso wenig hat sie klargestellt,
wo und warum die Rechtsprechung des Senats den völkerrechtlichen Gutachten von Prof. Bothe bzw. Prof. Reinisch widersprechen konnte. Der Senat hat diese Gutachten berücksichtigt. Sie fuhren nicht zu einem anderen Ergebnis.
Da die Beklagte nach wie vor keine Gründe aufzeigen konnte, die einer Entscheidung nach § 522
Abs. 2 ZPO entgegenstehen, sieht der Senat keinen Anlass, die ab Mai 2007 angekündigte
Beratung des XI. Zivilsenats des Bundesgerichtshöfe über die dort anhängigen Revisionsverfahren in vier Parallelsachen abzuwarten.

Die Anschlussberufung des Klägers verliert ihre Wirkung (§ 524IV ZPO). Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1, 92 Abs, 2 Nr. 1 ZPO.
Der Beschluss ist auch ohne besonderen Ausspruch gem. § 794 Abs. 1 Nr, 3 ZPO vorläufig
vollstreckbar (Zöller-Gummer, ZPO, 25. Aufl., Rn 40 zu § 522 ZPO), Er ist nicht anfechtbar (§
522 Abs. 3 ZPO).

Dr. König-Ouvrier
Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht

Dr. Schellenberg
Richter am Oberlandesgerich

Göhre
Richter am Oberlandesgericht


Ausgefertigt
Frankfurt am Main, 23. März 2007

(OCR-Scan.....daher leichte, aber nicht Sinnenstellende Fehler)

1 Kommentar:

riensber hat gesagt…

Ich würde es begrüssen, wenn zu dieser wichtigen Entscheidung auch das Aktenzeichen des OLG Frankfurt a.M. angegeben werden würde. Denn ohne Aktenzeichen kann das Urteil nicht verwertet werden.