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Dienstag, 15. Oktober 2013

Frau Kirchner kann’s nicht lassen

Argentiniens PräsidentinFrau Kirchner kann’s nicht lassen

 ·  Nach einer Kopfoperation durfte Argentiniens Präsidentin Cristina Kirchner zwar die Klinik wieder verlassen, die Ärzte verordneten ihr aber 30 Tage Ruhepause. Regieren will sie auch vom Krankenbett aus. Denn sie vertraut niemandem.
© DPAVergrößernEine Anhängerin feiert Kirchners geglückte Operation
Nach ihrer Operation, bei der ein Bluterguss unter der Schädeldecke entfernt wurde, muss die argentinische Präsidentin Cristina Fernández de Kirchner die nächsten drei oder vier Wochen zurückgezogen in der Präsidentenresidenz in Olivos vor den Toren der Hauptstadt Buenos Aires verbringen. Die Ärzte haben ihr für die Zeit der Rekonvaleszenz Ruhe verordnet. Doch man kann sich schon jetzt ausmalen, dass sie so schnell wie möglich wieder in das politische Geschehen eingreifen wird. Kirchner hat selbst während ihres Klinikaufenthaltes nie offiziell die Amtsgeschäfte an ihren Vizepräsidenten Amado Boudou übergeben. Ihr Kabinettschef hat sogar kundgetan, dass sie nach wie vor die einzige Befugte sei, die der Regierung Anweisungen erteile.
Viele ihrer Landsleute fühlen sich an Mitte September 2010 erinnert, als Frau Kirchners Gatte und Vorgänger Néstor wegen seiner Herz- und Kreislaufprobleme operiert wurde. Schon kurz nach dem Eingriff saß er wieder am Telefon, zog hinter den Kulissen der Regierung die Strippen. Wenige Wochen später, am 27. Oktober 2010, starb er an einem fulminanten Herzinfarkt. In der Regierung hatte er keine offizielle Aufgabe, zu jener Zeit bekleidete er lediglich den Posten des Generalsekretärs des südamerikanischen Länderbündnisses Unasur.
Damals war Néstor Kirchner offenbar bereits fest entschlossen, bei den Wahlen Ende 2011 zu kandidieren und ins Präsidentenamt zurückzukehren. Sein Plan war es, im Wechsel mit seiner Frau, seiner Familie und dem Zirkel engster Vertrauter die Macht so lange wie möglich zu erhalten. Sein Tod hat dieses Kalkül durchkreuzt. Seit den Wahlen vor zwei Jahren, bei denen Cristina Kirchner mit 54 Prozent der Stimmen bis 2015 im Amt bestätigt wurde, hat sich das kirchneristische Herrschaftssystem radikal verändert.

In zwei Wochen wird das Parlament gewählt

Néstor Kirchner galt während seiner Regierungszeit von 2003 bis 2007 als geselliger „Hausmann“. Er organisierte Grillfeste, zu denen er Politiker und andere, ihm nahestehende Personen einlud. Er hörte sich deren Meinungen an, debattierte mit ihnen, fällte danach aber seine Entscheidungen allein nach seinen Kriterien. Wie groß sein Einfluss auf seine Frau war, nachdem sie 2007 das Ruder übernommen hatte, blieb bis zuletzt unklar. Nach seinem Tod zog sich Frau Kirchner zurück. Sie konsultiert niemanden außerhalb ihres engsten Vertrautenzirkels mehr. Negative Nachrichten versucht sie von sich fernzuhalten, wer Kritik an ihren Entscheidungen übt, muss damit rechnen, in die Wüste geschickt zu werden.
Einige Maximen, die das Verhalten ihres Mannes bestimmten, hat Frau Kirchner übernommen. Dazu zählt die Taktik, grundsätzlich keine Niederlagen einzugestehen, bei offenkundigen Fehlentscheidungen den Einsatz noch zu erhöhen und an Personen festzuhalten, die wegen offenkundigen Versagens öffentlich kritisiert werden, wie etwa an ihrem Handelssekretär Guillermo Moreno, der für einen großen Teil der wirtschaftlichen Fehlentwicklungen mitverantwortlich ist. Frau Kirchner hat ein autoritäres Herrschaftssystem aufgebaut, in dem sie sich selbst die allerkleinsten Entscheidungen vorbehält. „Ich misstraue grundsätzlich allen“, bekannte sie kürzlich in einem sorgfältig inszenierten Fernsehgespräch.
In zwei Wochen, am 27. Oktober, wird ein neues Parlament gewählt. Wegen ihrer Rekonvaleszenz wird Kirchner wohl kaum öffentlich den – tatsächlichen oder vermeintlichen – Sieg der von ihr persönlich auf Fingerzeig gekürten Kandidaten mitfeiern können. Sie kann auch nicht mehr aktiv in den Wahlkampf eingreifen. Dabei könnten ihre Bewerber sehr gut ihre Schützenhilfe gebrauchen. Denn bei den internen Vorwahlen Mitte August haben sie durchweg überraschend schlecht abgeschnitten. Ursprünglich hatte Frau Kirchner die unverhohlene Absicht, bei den Wahlen eine Zweidrittelmehrheit in beiden Parlamentskammern zu erreichen und damit eine Verfassungsreform durchzusetzen, die ihr eine zweite Wiederwahl in Folge ermöglichen würde. Dieses Ziel hat sie sich seit den Vorwahlen abschminken müssen.

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