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Sonntag, 9. Februar 2014

Alle Dutzend Jahre erlebt Argentinien eine schwere Wirtschaftskrise. Mitte der siebziger Jahre war es eine Spirale aus Abwertung und Inflation, Ende der achtziger die Hyperinflation, zuletzt der Staatsbankrott 2001. Nach der sprunghaften Abwertung des Peso im Januar wächst die Angst vor einem neuen Crash in Südamerikas zweitgrößter Volkswirtschaft. In zwölf Monaten verlor die Zentralbank 35 Prozent ihrer Reserven. Die Peso-Abwertung sandte Schockwellen durch die ohnehin nervösen Finanzmärkte. Argentiniens eigene Probleme sind indes ganz überwiegend hausgemacht.


Inflation droht zu eskalierenArgentiniens nächste Krise

  ·  Ohne Sanierung der Finanzen ist die Spirale aus Inflation und Abwertung in Argentinien nicht mehr zu stoppen. Mit Preiskontrollen allein wird die Inflation nicht einzudämmen sein.
© DPAVergrößernArgentinien hat schon viele schwere Wirtschaftskrisen hinter sich: zuletzt 2001 der Staatsbankrott
Alle Dutzend Jahre erlebt Argentinien eine schwere Wirtschaftskrise. Mitte der siebziger Jahre war es eine Spirale aus Abwertung und Inflation, Ende der achtziger die Hyperinflation, zuletzt der Staatsbankrott 2001. Nach der sprunghaften Abwertung des Peso im Januar wächst die Angst vor einem neuen Crash in Südamerikas zweitgrößter Volkswirtschaft. In zwölf Monaten verlor die Zentralbank 35 Prozent ihrer Reserven. Die Peso-Abwertung sandte Schockwellen durch die ohnehin nervösen Finanzmärkte. Argentiniens eigene Probleme sind indes ganz überwiegend hausgemacht.
Die Hauptursache der wiederkehrenden Krisen am Río de la Plata ist immer dieselbe: Die Staatsfinanzen laufen aus dem Ruder. Finanziert wird das, solange es geht, durch Schulden oder durch die Notenpresse. Das eine führt bis zum Staatsbankrott wie 2001, das andere bis zur Hyperinflation wie 1989. Auch diesmal ist das Staatsdefizit die Wurzel des Übels. 2013 stieg es auf etwa 4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Im internationalen Vergleich erscheint das nicht dramatisch. Doch Argentinien hat zwölf Jahre nach der Staatspleite noch immer keinen Zugang zu neuen Krediten. Zu viele Konflikte mit alten Gläubigern sind ungelöst, zu viel Vertrauen wurde durch getürkte Wirtschaftsdaten und erratische Eingriffe der Regierung in die Märkte zerstört.

Inflation schwankt seit Jahren zwischen 20 und 30 Prozent

Lange Zeit meinten Staatspräsidentin Cristina Kirchner und ihr 2010 verstorbener Ehemann und Amtsvorgänger Néstor ganz ohne Kredit auskommen zu können. Der Rohstoffboom, der gleich nach Argentiniens Pleite 2002 einsetzte, spülte Jahr für Jahr mehr Devisen für Soja und andere Agrarprodukte ins Land. Bis 2008 war der Staatshaushalt im Überschuss. Doch einmal mehr übertrieb Argentinien die Ausgabenfreude – in zehn Jahren wuchs der Anteil der Staatsausgaben am BIP von 25 auf 40 Prozent. Die Zahl der Staatsbediensteten stieg um 46 Prozent, großzügige Subventionen wurden verteilt. Als die Einnahmen nicht mehr ausreichten, verstaatlichte Kirchner zunächst die privaten Rentenkassen. Dann musste die Zentralbank zur Finanzierung herhalten. Fällige Auslandsschulden werden aus den Devisenreserven bezahlt, die Notenpresse finanziert das laufende Defizit. Die dadurch angeheizte Inflation schwankt seit Jahren zwischen 20 und 30 Prozent, auch wenn die Regierung offiziell nur 10 Prozent ausweist. Nun droht die Inflation zu eskalieren. Mit Preiskontrollen allein wird sie nicht einzudämmen sein.
Über viele Jahre hat die Zentralbank die Abwertung des Peso weit unter der Inflationsrate gehalten. Das hat Argentinien zu einem relativ teuren Produktionsstandort gemacht und die Importnachfrage hochschnellen lassen. Auch nach dem Abwertungsschub vom Januar ist der Dollar in Argentinien inflationsbereinigt immer noch um 30 Prozent billiger als 2007, kalkuliert eine Finanzberatungsfirma. Auf die steigende Nachfrage nach Importwaren und Devisen reagiert die Regierung mit immer mehr Kontrollen und Beschränkungen. Seit zwei Jahren werden Importe und die Zuteilung von Devisen von den Behörden rationiert. Das hat die Flucht aus dem Peso gebremst, aber nicht gestoppt. Der Schwarzmarkt für Devisen blüht, das Fluchtkapital findet immer neue Wege. Die Beschränkung der Importe führt derweil zu Versorgungsengpässen in Handel und Industrie. Für dieses Jahr rechnen viele Ökonomen mit einer Rezession.

Energiepreise müssten um 50 Prozent erhöht werden

Eine besonders schwerwiegende Fehlentwicklung erlebt die Energiewirtschaft. Seit 2002 hält die Regierung die Strom- und Gaspreise weitgehend eingefroren. Das hat zu verschwenderischem Verbrauch geführt und den privaten Energieunternehmen jeden Anreiz zu Investitionen genommen. Während Argentinien Mitte der vergangenen Dekade im Außenhandel mit Energieträgern noch einen hohen Überschuss erzielte, ist es heute Nettoimporteur. Allein diese Verschlechterung der Energiebilanz entspricht dem Einbruch der Devisenreserven im vergangenen Jahr. Die Erschließung von Argentiniens Schiefergasreserven, die größer sein sollen als jene der Vereinigten Staaten, könnte den negativen Trend umkehren. Doch unklare Rahmenbedingungen lassen Investoren abwarten, zudem wird die Entwicklung der Lagerstätten Jahre dauern. Allein die Subventionen, die die Regierung aufwenden muss, um teure Energieimporte zu finanzieren und die Preise niedrig zu halten, entsprechen bereits der Gesamthöhe des Staatsdefizits. Um das Defizit auch nur um 1 Prozent der Wirtschaftsleistung zu drücken, müssten die Energiepreise um mindestens 50 Prozent erhöht werden, kalkulieren Ökonomen.
Kirchner hat Sparmaßnahmen immer als neoliberales Teufelszeug abgetan. Doch die Staatschefin wird über ihren Schatten springen müssen, wenn sie den Rest ihrer Amtszeit bis Ende 2015 ohne schwere Krise zu Ende bringen will. Abwertung und Zinserhöhungen waren nur die ersten Schritte. Ohne eine Sanierung der Staatsfinanzen wird die Spirale aus Inflation und Abwertung nicht zu stoppen sein. Die Wirtschaft vom Wildwuchs der Mangelbewirtschaftung zu befreien wird so oder so der nächsten Regierung überlassen bleiben.
Quelle: F.A.Z. 
http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/konjunktur/inflation-droht-zu-eskalieren-argentiniens-naechste-krise-12788862.html

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