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Donnerstag, 5. September 2013

Die Berufungskammer von New York hat beim Prozess wegen der Klage eines sogenann- ten Geierfonds gegen den argentinischen Staat, so entschieden wie es nicht anders sein konnte und somit zu erwarten war: das Urteil des Richters Thomas Griesa wurde voll bestätigt

Aus dem Tageblatt v. 31.08.2013:


Die Berufungskammer von New York hat
beim Prozess wegen der Klage eines sogenann-
ten Geierfonds gegen den argentinischen Staat,
so entschieden wie es nicht anders sein konnte und
somit zu erwarten war: das Urteil des Richters Thomas
Griesa wurde voll bestätigt. Da der Anschluss an das
Umschuldungsangebot von 2005 freiwillig war, bei dem
2010 denjenigen, die nicht mitgemacht hatten, eine zweite
Gelegenheit geboten wurde, und es kein Konkursrecht für
Staaten gibt, haben die Gläubiger, die nicht umgeschuldet
haben, das Recht, den gesamten Betrag zu kassieren, auf
den ihre Bonds lauten, selbstverständlich plus Zinsen,
und eventuell auch Zinseszinsen. Diese Gläubiger machen
leicht über 7% des gesamten Defaultbetrages aus. Bei ei-
nem privaten Konkursverfahren würde das Abkommen
mit fast 93% des Schuldbetrages mehr als ausreichen, um
es allgemeingültig zu erklären. Dass die Richter dann auch
auf die hartnäckige argentinische Stellungnahme und
den total fehlenden Zahlungs- und Kompromisswillen
hingewiesen haben, ist nebensächlich.
Am Montag reagierte die Präsidentin Cristina Kirch-
ner und stützte sich bei ihrem Versuch, die Begründung
des Urteils zu widerlegen, auf die Tatsache, dass der ar-
gentinische Staat unter den Kirchners seinen Zahlungs-
verpflichtungen stets pünktlich nachgekommen sei, und
ab Mai 2003, als Néstor Kirchner als Präsident antrat,
insgesamt finanzielle Verpflichtungen für u$s 173,73 Mrd.
gezahlt habe, alles mit eigenen Mitteln. Von diesem Betrag
entfielen u$s 41,04 Mrd. auf Zahlungen innerhalb des
staatlichen Bereiches (an die ZB, die ANSeS, die Banco
Nación und verschiedene staatliche Ämter), u$s 81,49 Mrd.
auf Zahlungen an private ausländische und inländische
Gläubiger und u$s 51,20 Mrd. an internationale Finanz-
institutionen, nämlich den IWF, die Weltbank und die
Interamerikanische Entwicklungsbank. Bei den Banken
wurden allerdings die Schulden mit Aufnahme neuer
Kredite ausgeglichen, wobei die Weltbank erst seit etwa
zwei Jahren kein neuen Kredite gewährt, so dass dieses
Schema hier nicht mehr funktioniert.
Die Präsidentin verschwieg jedoch die nicht bezahlte
Schuld gegenüber den Staaten des Pariser Klubs (die
mit Zinsen etwa u$s 9 Mrd. ausmacht), die im Wesen
auf Krediten für Kapitalgüterlieferungen beruht, die
von staatlichen Instituten, wie Hermes in Deutschland
und Coface in Frankreich, versichert waren und somit
von den einzelnen Staaten gezahlt wurden. Ebenfalls
hat sie die nicht bezahlten Beträge bei Seite gelassen, zu
denen das Land vom Weltbankschiedsgericht ICSID (auf
spanisch CIADI) verurteilt worden ist (die über u$s 1
Mrd. ausmachen), und auch nicht die Tatsache, dass hier
Forderungen bestehen, die nominell u$s 20 Mrd. errei-
chen könnten, sofern nicht voher verhandelt und eine
Kompromisslösung ausgehandelt wird. Hinzu kommen
dann noch weitere verfallene Schulden. Abgesehen davon
sei daran erinnert, dass die Gläubiger, die sich der Um-
schuldung angeschlossen haben, einen Verlust von etwa
70% erlitten haben. Das Mindeste, was sie dabei erwarten
konnten, ist, dass die Staatspapiere, mit denen der Restbe-
trag gezahlt wurde, pünktlich bedient werden. Was CFK
jetzt als besonderes Verdienst hinstellt, ist im Wesen eine
Selbstverständlichkeit.
Die Regierung wird jetzt zunächst eine zweite Berufung
beim gleichen Gericht von New York einbringen, in der
formelle Aspekte des Urteils beanstandet werden. Das ist
eine prozessale Schikane, eine mehr dieser Regierung.
Danach wird sie Berufung beim Obersten Gerichtshof
der USA einbringen, der sie annehmen oder verweigern
kann. Auf alle Fälle kann der Oberste Gerichtshof das
Urteil von Griesa, das die Berufungskammer bestätigt
hat, gewiss nicht ändern. Mit diesen Schikanen kann
die Wirkung des Urteils eventuell um bis zu einem Jahr
hinausgeschoben werden.
Theoretisch besteht die einzige Möglichkeit, dass der
Oberste Gerichtshof anders urteilt, in einer Empfehlung
der US-Regierung, als “amicus curiae” bekannt, in der
diese ein politisches Interesse an einer wohlwollenden
Haltung gegenüber Argentinien äussert. Allein, einmal
erscheint es zu spät dafür zu sein. Die Regierung der Ver-
einigten Staaten hätte dies schon tun müssen, als der Fall
Richter Griesa vorlag. Die argentinische Regierung hätte
schon vor Jahren Schrittte unternehmen müssen, um die
US-Regierung in diesem Sinn zu motivieren, was nicht der
Fall war. Und dann sind die Beziehungen mit den USA
gespannt, ganz besonders wegen des Abkommens Argen-
tiniens mit Iran. Schon vorher hatten die Kirchners sich
auf die Seite von Chávez gestellt, Kritik an den USA geübt,
nordamerikanische Interessen verletzt und die Regierung
beleidigt, als Aussenminister Héctor Timerman die USA
bei einer unentgeltlichen Sendung von Lehrmaterial für
die Polizei des Schmuggels beschuldigte, nur weil bei der
Zollerklärung ein unbedeutender formeller Fehler be-
stand. Man sollte davon ausgehen, dass die US-Regierung
sich passiv verhält und sich des argentinischen Falles erst
annimmt, wenn CFK von der Szene verschwindet und
vernünftige Menschen kommen, die eine Gesamtlösung
der ausstehenden Finanzprobleme des Landes anpeilen.
Das Urteil der Kammer von NY bestimmt auch, dass
die Bank of New York, die mit der Zahlung von Amorti-
sationsraten und Zinsen der anerkannten argentinischen
Staatsschuld betraut wurde, verantwortlich ist, wenn sie
die Klausel “pari passu” verletzt, also den Holdouts nicht
im gleichen Verhältnis wie den Inhabern der umgeschul-
deten Bonds zahlt. Wenn sich die argentinische Regierung
somit weigert, das Urteil zu erfüllen und den Geierfonds
nicht die 100% des Nennwertes plus angelaufene Zinsen
anerkennt, dann kann sie auch den umgeschuldeten
Gläubigern nicht zahlen, was einen neuen Default dar-
stellt. Dass dieser von den argentinischen Behörden als
“technisch” bezeichnet wird, ändert nichts an der Tat-
sache, dass es ein Default ist, der das ganze Problem der
Zahlungsunfähigkeit, das 2001 aufgetreten ist, wieder
aufwirft.
Die Regierung hat jetzt einen neuen Trick erfunden, um
den Holdouts nicht zu zahlen. Am Montag kündigte CFK
an, dass sie ein neues Gesetzesprojekt im Kongress einge-
bracht habe, das einmal eine neue Umschuldungsrunde
einführt, der sich die Holdouts anschliessen können,
angeblich zu den gleichen Bedingungen von 2005, wobei
sich jedoch die Frage der angelaufenen Zinsen stellt, die
nicht anerkannt werden. Mit dieser Massnahme will die
Regierung das Argument der US-Richter entkräften, dass
sich die argentinische Regierung konsequent weigert zu
zahlen und auch nicht kompromissbereit ist.
Man kann jedoch davon ausgehen, dass diese neue Um-
schuldungsrunde ein totales Fiasko sein wird. Diejenigen,
die sich weder 2005 noch 2010 dem Umschuldungsange-
bot angeschlossen haben, haben keinen Grund sich jetzt
anders zu verhalten. Im Gegenteil, nach dem Urteil der
Berufungskammer und der Überzeugung, dass es bestä-
tigt wird, dürften sie ihr Verhalten verhärten.
Das jüngste Urteil gilt zunächst für eine Forderung von
u$s 1,33 Mrd., eventuell etwas mehr wegen angelaufener
Zinsen, wobei dann noch Gerichtskosten und Anwalts-
honorare hinzukommen. Danach kommen unmittelbar
auch die anderen Holdouts, bei denen sich der Prozessweg
verkürzt, da in den USA das Prinzip der “class action”
gilt, d.h. ein Urteil des Obersten Gerichtshofes oder, wenn
es keine Berufung gibt, der letzten Instanz, deren Urteil
endgültig ist, auf alle anderen analogen Fälle schon von
den Richtern erster Instanz angewendet wird, ohne Be-
rufungsmöglichkeit. Somit steht der argentinische Staat
vor Forderungen von über u$s 25 Mrd. Das Einzige, was
noch erreicht werden kann, ist die Zahlung in Form von
mittel- oder langfristigen Bonds zu niedrigen Zinsen.
Die zweite Neuerung, die im Gesetzesprojekt enthalten
ist, ist die Gewährung der Möglichkeit für die Inhaber der
Bonds, die sich aus den Umschuldungen von 2005 und
2010 ergeben haben, die Gerichtsbarkeit auf Argentinien 
zu übertragen. Wenn also Argentinien in den USA nicht
zahlt, weil dann auch den Geierfonds gezahlt werden
müsste, dann können die Bondsinhaber Amortisations-
raten und Zinsen in Argentinien kassieren. Die Regierung
garantiert dabei die Zahlung in Dollar über die Wertpa-
pierkasse der Börse (Caja de Valores). Auf diese Weise soll
der “technische Default” in Frage gestellt werden. Das
Problem besteht dabei jedoch darin, dass die Gläubiger,
wie auch andere, nicht das geringste Vertrauen in diese
Regierung haben. Sie befürchten, dass die Dollarbeträge,
die ihnen gezahlt werden, eingefroren oder zum offiziellen
Kurs in Pesos umgerechnet werden. Sie werden es vorzie-
hen, dass sie bei nicht-Zahlung oder anderen Konflikten
vor US-Richtern (oder solchen Grossbritannienes oder
Japans) klagen können, statt vor argentinischen, denen
sie ohnehin nicht vertrauen, wobei die Prozesse in Ar-
gentinien viel länger dauern als in den USA. Sie wissen,
dass der argentinische Staat gelegentlich doch wird zahlen
müssen, wobei hier auch die Tatsache mitspielt, dass diese
Regierung am Ende ist und man von einer neuen erwarten
kann, dass sie die finanziellen Beziehungen Argentiniens
zur Welt allgemein regelt.
Der argentinische Staat wird somit voraussichtlich in
einen neuen Default geraten. Allein die Aussicht, dass
dies binnen eines Jahres so kommt, hat unmittelbare
Konsequenzen, an erster Stelle eine spürbare Erhöhung
der Risikoprämie gegen Defaultgefahr. Abgesehen davon
führt dies dazu, dass die chinesischen Banken, die einen
Kredit für die zwei grossen Wassekraftwerke bedingt be-
reitgestellt haben, diesen nicht gewähren, einfach weil es
die Bankbestimmungen verhindern, die auf der ganzen
Welt gelten. Sie dürfen einem Staat oder einem Unter-
nehmen, die sich im Defaultzustand befinden, kein Geld
leihen. Ebenfalls stört dies den Vertrag von Chevron mit
YPF. Auf breiter Front treten Schwierigkeiten auf.
Die Reaktion der argentinischen Regierung ist voraus-
zusehen: eine zunehmende Abschottung von der Welt,
mit einer noch viel strengeren Devisenbewirtschaftung
und einem noch extremeren Interventionismus. All dies
wirkt sich störend auf die Wirtschaft aus, auch wenn die
Regierung sich bemüht, aus der Not eine Tugend zu ma-
chen und die Importsubstitution ins Extrem treibt und
als Beitrag zum Wirtschaftswachstum hinstellt. Tatsache
ist jedoch, dass dabei immer mehr Engpässe auftauchen,
das Energieproblem sich verschärft und die Wirtschaft
der langfristigen Stagnation nicht entgehen kann, die vor
anderthalb Jahren begonnen hat, mit der ständigen Gefahr 
des Abrutsches in eine tiefe Krise, wie schon gehabt.

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