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Dienstag, 4. Dezember 2012

Vermögen in Europa: Jagd auf argentinische Konten


04.12.2012, 08:00Schriftgröße: AAA

Vermögen in Europa:Jagd auf argentinische Konten

Ein US-Gericht verpflichtet Argentinien zur Rückzahlung seiner Staatsanleihen. Das weckt auch bei deutschen Privatanlegern die Hoffnung, verlorene Millionen wiederzusehen. Doch auf Urteile allein verlassen sie sich nicht mehr. Jetzt soll ein Privatermittler argentinisches Vermögen sicherstellen.
© Bild: 2012 Getty Images/Ricardo Ceppi
Ein US-Gericht verpflichtet Argentinien zur Rückzahlung seiner Staatsanleihen. Das weckt auch bei deutschen Privatanlegern die Hoffnung, verlorene Millionen wiederzusehen. Doch auf Urteile allein verlassen sie sich nicht mehr. Jetzt soll ein Privatermittler argentinisches Vermögen sicherstellen. 
von  Hamburg





Was hatten die Gerichtsvollzieher nicht alles versucht! Die argentinischen Exponate einer Dinosaurierausstellung in Rosenheim wollten sie pfänden, das Segelschulschiff "Libertad" in Bremerhaven hatten sie schon an die Kette gelegt. Und selbst auf die Präsidentenmaschine "Tango 1" hatten die Beamten es mehrmals abgesehen. Doch immer wieder schafften es die Argentinier trickreich, die Beschlagnahmung noch abzuwenden. Und so gingen deutsche Privatanleger, die vor mehr als zehn Jahren in argentinische Staatsanleihen investiert hatten, mal wieder leer aus - obwohl das Recht auf ihrer Seite steht.
Weltweit päppelten mehr als eine halbe Million private Anleger den südamerikanischen Staat mit 140 Mrd. Dollar - in Erwartung satter Zinsen. Allein deutsche Sparer hatten etwa 5,6 Mrd. Dollar, meist auf Anraten ihrer Bank, in die Anleihen investiert. Doch Anfang 2002 hatte die Regierung in Buenos Aires ihre Zahlungsunfähigkeit erklärt. Zweimal bot Argentinien eine Umschuldung an, 2005 und 2010.
Die argentinische Präsidentin Cristina Fernández de Kirchner Die argentinische Präsidentin Cristina Fernández de Kirchner
In Anbetracht eines drohenden Totalverlusts gingen mehr als 92 Prozent zähneknirschend auf den Deal ein und verzichteten auf 75 Prozent ihrer Einlagen. Die Umschuldungsverweigerer, sogenannte Hold-outs, zogen vor Gericht, klagten ihr Geld ein. Dutzende vollstreckbare Titel liegen vor. Doch die Anleger bekamen trotzdem nichts. Bislang.
Jetzt greifen einige zum letzten Mittel: Sie haben einen Wirtschaftsermittler beauftragt, der in Europa argentinisches Staatseigentum aufspüren und es festsetzen soll - hauptsächlich bei Banken.
Einige dieser Anleger sind Mandanten des Augsburger Rechtsanwalts Jakob Heichele. Über 100 Fälle hat er in den vergangenen zehn Jahren durchexerziert. Und er hat alle gewonnen. Ein Fall gleicht dem anderem. Nur zwei Angaben sind austauschbar: der Name der Klägerin und die Summe, um die es geht. Meist sind es sechsstellige Zahlen, die sich in den Urteilen wiederfinden, mal aber auch zweistellige Millionenbeträge. Zugestellt werden die Urteile an die Casa Rosada, das Rosa Haus, in Buenos Aires, den Präsidentenpalast.
Die Urteile deutscher Gerichte machten den Geschädigten Hoffnung. Im Namen des Volkes wurde Argentinien dazu verurteilt, den Klägern die Zahlungen "in voller Höhe" zu erstatten, samt Zinsen. Am 8. Mai 2007 stützte das Bundesverfassungsgericht den Anspruch der deutschen Privatanleger. "Es ist keine allgemeine Regel des Völkerrechts feststellbar, die einen Staat gegenüber Privatpersonen berechtigt, die Erfüllung fälliger privatrechtlicher Zahlungsansprüche unter Berufung auf den wegen Zahlungsunfähigkeit erklärten Staatsnotstand zeitweise zu verweigern", so die Richter.
Und doch passierte nichts. Auch als der damalige argentinische Präsident Néstor Kirchner im März 2005 die Zahlungsunfähigkeit seines Landes "für überwunden" erklärt hatte.
Jetzt schöpfen die Geschädigten neue Hoffnung. In den USA verurteilte ein Richter Argentinien, die über zehn Jahre alte Anleiheschulden in Milliardenhöhe bei US-Hedge-Fonds zu begleichen. Der Richterspruch bringt die argentinische Regierung in eine Zwickmühle. Denn er besagt, dass Buenos Aires seine Staatsanleihen aus der Umschuldung nicht bedienen darf, solange die Altschulden bei den Hedge-Fonds nicht bezahlt sind. Die Anleihen waren unter US-Recht in Dollar ausgegeben worden, um sie für internationale Investoren attraktiver zu machen.
Das Urteil könnte dem südamerikanischen Land nun zum Verhängnis werden. Eine Weigerung könnte sogar einen erneuten Staatsbankrott auslösen. Die Ratingagentur Fitch hat die Bonitätsnote für langfristige argentinische Staatsanleihen in fremder Währung bereits um fünf Stufen von "B" auf "CC" herabgesetzt. Ein abermaliger Zahlungsausfall auf Argentinienanleihen sei "wahrscheinlich", begründete Fitch den drastischen Schritt.
Die Prämien für Kreditausfallversicherungen (CDS) auf argentinische Staatsanleihen vervierfachten sich in den letzten Tagen auf ein Rekordniveau, das weltweit nur noch von Griechenland übertroffen wird. Noch wehrt sich Buenos Aires, hat Berufung gegen das Urteil aus New York eingelegt. Keinen Cent sollen die "Aasgeier" bekommen, wie die Regierung den Hedge-Fonds NML Capital nennt. Der fordert 1,3 Mrd. Dollar.
Hedge-Fonds-Betrüger Florian Homm Hedge-Fonds-Betrüger Florian Homm
Deutschen Anlegern macht das Urteil Mut. Angeführt von einem Industriellen, der einen zweistelligen Millionenbetrag in argentinischen Staatsanleihen versenkt hat, soll Privatermittler Josef Resch mit seinem Team der Wirtschaftsfahndung Wifka innerhalb der Europäischen Union Staatseigentum Argentiniens aufspüren - um es zu pfänden. Es geht um etwa 70 Mio. Euro, die die Geprellten einfordern. Resch wurde zuletzt als Jäger des untergetauchten Hegde-Fonds-Managers Florian Hommbekannt. Mit Youtube-Videos und einem Kopfgeld von 1,5 Mio. Euro hatte er die weltweite Hatz auf den Finanzjongleur befeuert, bis der sich vor wenigen Wochen erstmals der Öffentlichkeit stellte und ankündigte, sich zu verantworten. Das Leben im Untergrund, so Homm gegenüber der FTD, sei durch die Kopfgeldjagd unerträglich geworden.
Resch arbeitet nach einem einfachen Prinzip. Seine Auftraggeber sind bereit, für wertvolle Hinweise auf argentinisches Vermögen eine Belohnung zu zahlen. Wie hoch die ausfallen wird, hänge von der Höhe des beschlagnahmten Vermögens ab, erklärt Resch. Aber: Seine Auftraggeber seien nicht kleinlich. Sein Team werde die Hinweise verifizieren und weitere Schritte einleiten, in Zusammenarbeit mit einem Rechtsanwalt. Resch will an die großen Töpfe. Erste Ermittlungen hätten ergeben, dass argentinisches Staatsvermögen auf Konten in der EU gelagert sei, auch wenn die Banken dies bislang abstritten. "Große Summen sollen bei Geldinstituten und Versicherungen geparkt sein", sagt Resch. Unter anderem in Deutschland. Da aber die Vollstreckungstitel der deutschen Gerichte EU-weit rechtskräftig seien, sei das Operationsgebiet nicht auf das deutsche Staatsgebiet beschränkt.
Erst kürzlich hofften die Gläubiger, einen Coup landen zu können. Vier Maschinen der argentinischen Fluggesellschaft Aerolíneas Argentinas sollten in Deutschland ausgerüstet werden. Seit 2008 ist das Unternehmen wieder in Staatsbesitz. Doch den Kuckuck konnten die Gläubiger nicht anbringen. Aerolíneas Argentinas ist offiziell nicht Eigentümer der Jets, sondern hat sie über eine Treuhandfirma geleast.
Schon in der Vergangenheit versuchten deutsche Gläubiger, ihr Geld in spektakulären Aktionen einzutreiben. Doch Argentinien sei sich der Gefahr der Zwangsvollstreckung durchaus bewusst, sagt Anwalt Heichele, und habe Vorsorgemaßnahmen getroffen, die die Gerichtsvollzieher oft in letzter Minute ausgebremst haben. Wie im Oktober 2009 in Rosenheim. Bei der Ausstellung "Dinosaurier - Giganten Argentiniens" wollte ein Geschädigter die Exponate pfänden lassen. Er hatte damals 1,5 Mio. D-Mark in argentinische Staatsanleihen investiert. Doch als der Gerichtsvollzieher sich dem "Eoraptor" und "Austroraptor" näherte, zückte der Geschäftsführer der Ausstellung eine rechtsverbindliche Rückgabezusage. Erst wenige Tage vor der Ausstellungseröffnung hatte Argentinien diese beantragt, das bayerische Kultusministerium hatte die Saurier zu unpfändbaren Kulturgütern erklärt.
Um den Druck auf Argentinien zu erhöhen, besuchte ein Gerichtsvollzieher vor zwei Jahren die Frankfurter Buchmesse, um Exponate aus Argentinien zu pfänden. Doch am Messestand wurde er aufgehalten. Ihm wurden Urkunden vorgelegt, die besagten, dass die Objekte nicht der Republik Argentinien gehörten. Gleich zweimal hatten es die Gerichtsvollzieher auf die Regierungsmaschine des Präsidenten abgesehen, die "Tango 1". Doch auch davon bekam der Präsident Wind. 2003 sagte Néstor Kirchner, der Mann der heutigen Staatschefin Cristina Fernández de Kirchner, eine Rede beim Jahrestreffen des Ibero-Amerika-Vereins in Hamburg in letzter Minute ab. 2006, zur Fußballweltmeisterschaft, reiste er letztlich in einem Linienflieger an.
Als das Segelschulschiff der argentinischen Marine, die "Libertad", im August 2002 in Bremerhaven vor Anker ging, ahnte Kapitän Jorge Bergallo noch nicht, dass zeitgleich beim Amtsgericht ein "Antrag auf Anordnung des dinglichen Arrests und Arrestpfändung" einging. Doch das Gericht lehnte den Antrag ab. Das "zu pfändende Objekt" diene als Teil der Kriegsmarine unmittelbar hoheitlichen Aufgaben. Damit stehe es "dem privaten Zugriff Dritter nicht zur Verfügung". Unbehelligt konnte der Dreimaster nach wenigen Tagen wieder die Segel setzen.
Andere sind mit der gleichen Strategie schon weiter. Seit Anfang Oktober liegt die "Libertad" in Ghana an der Kette. Der New Yorker Hedge-Fonds NML Capital, der auch das New Yorker Gerichtsurteil bewirkte, war beim Durchsetzen seiner Zwangsvollstreckung erfolgreich. Einen Einspruch der Regierung in Buenos Aires gegen die Pfändung lehnte das westafrikanische Land ab. Argentinien hat bereits einen Großteil der 326 Mann starken Besatzung in die Heimat geholt. Am Donnerstag begann in Hamburg vor dem Internationalen Seegerichtshof der Prozess. Buenos Aires hat auf die Freigabe des festgesetzten Schulschiffs geklagt.
Für Ermittler Resch sind das günstige Umstände. "Vor der internationalen Entwicklung der letzten Wochen werden wir es leichter haben, auch in Deutschland Pfändungen durchzusetzen", sagt er.

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