Argentinien präsentiert Zahlungsplan mit Überraschungen
Von CHAD BRAY, KATY BURNE und SHANE ROMIG
Im erbittert geführten Schuldenstreit mit Hedgefonds hat Argentinien seine rebellischen Gläubiger erneut zappeln lassen. Erst eine Stunde vor Ablauf der Frist reichte die argentinische Regierung einen mit Spannung erwarteten Plan zur Begleichung ihrer seit zehn Jahren offenen Rechnungen bei einem US-Gericht ein. Eine Mischung aus Anleihen mit einer Laufzeit von zwanzig bis 25 Jahren bieten die Südamerikaner nun den widerspenstigen Gläubigern an, die die Regierung des Landes als "Geier" bezeichnet. Diese hatten sich - anders als die Mehrzahl der anderen Anleiheinhaber - weder 2005 noch 2010 auf verlustreiche Umschuldungen von Schuldtiteln über fast 100 Milliarden US-Dollar eingelassen, für die Argentinien 2001 den Zahlungsausfall erklärt hatte.
Ein amerikanisches Berufungsgericht muss nun darüber entscheiden, ob Argentinien gesetzlich dazu verpflichtet ist, beide Investorengruppen gleich zu behandeln. Das Urteil des Gerichts könnte zur Schicksalsfrage werden - für Argentinien und andere Länder weltweit. Verlieren die Südamerikaner das Verfahren, steht ihnen möglicherweise der zweite Staatsbankrott ins Haus. Außerdem könnte sich der Richterspruch als wegweisend für andere Länder rund um den Globus erweisen, die ebenfalls ihre Staatsschulden umstrukturieren müssen.
Verklagt wird Argentinien von einer Investorengruppe unter der Führung von Hedgefonds, die von NML Capital, einer Gesellschaft von Elliott Management, und von Aurelius Capital Management verwaltet werden. Sie fordern die vollständige Zahlung der unbeglichenen Kreditsumme und der aufgelaufenen Zinsen in Höhe von 1,33 Milliarden Dollar. Die hartnäckigen Gläubiger verfolgen Argentinien seit Jahren in den Gerichtssälen der Welt. Ihren Anwälten war es im vergangenen Jahr gar gelungen, ein Schulschiff der argentinischen Marine, das vor Ghana lag, mehrere Monate lang beschlagnahmen zu lassen. Das Faustpfand musste per Order des Internationalen Seegerichtshofs in Hamburg jedoch wieder freigegeben werden.
Der frisch eingereichte Plan biete den Verweigerern genau die gleichen Bedingungen wie den Gläubigern, die sich an den Umschuldungen im Jahr 2010 beteiligt hätten, argumentiert die argentinische Regierung. Damit komme das Land der Anordnung eines US-Amtsgerichts nach, das die Gleichbehandlung beider Investorengruppen gefordert hatte.
Mit dem laufenden US-Verfahren scheinen die Hedgefonds näher als je zuvor an ihr Ziel heranzurücken, ihr Geld doch noch einzutreiben. Die Fondsmanager von Elliott und Aurelius sind darauf spezialisiert, billige, ausfallgefährdete Schuldtitel zu kaufen und die Rückerstattung des vollen Werts solcher Papiere vor Gericht zu erstreiten. Die Bonds, mit denen Argentinien internationale Anleger anlocken wollte, unterliegen der Gesetzgebung des US-Bundestaats New York. Deshalb ist der Fall überhaupt erst vor amerikanischen Richtern gelandet.
Gemäß dem Plan will Argentinien den Gläubiger-Rebellen die Wahl zwischen Anleihen mit einem Abschlag vom Nennwert und Fälligkeit im Jahr 2033 und/oder Anleihen zum Nennwert mit Fälligkeit 2038 lassen, um die ihnen geschuldete Darlehenssumme und die bis zur Staatspleite im Dezember 2001 aufgelaufenen Zinsen zu begleichen.
Bei den zu pari ausgegebenen Bonds soll sich der Nennwert auf die unbezahlte Kreditsumme und die vor dem Zahlungsausfall von 2001 nicht erstatteten Zinsen belaufen. Sie sollen anfänglich mit einem Zinssatz von 2,5 Prozent ausgestattet sein, der sich über die 25-jährige Laufzeit der Titel hinweg auf 5,25 Prozent erhöht. Die Kreditsumme der Bonds mit Abzinsung soll sich allerdings um einen nicht näher bestimmten Wert reduzieren. Diese Papiere tragen einen Kupon von 8,25 Prozent und haben eine kürzere Laufzeit von 20 Jahren.
Regierung überrascht mit Angebot
Beobachter waren davon ausgegangen, dass Argentinien die Zinsen ignorieren würde, die bei den nicht mehr bedienten Papieren der widerspenstigen Gläubiger seit 2001 aufgelaufen waren. Diese Skeptiker überrascht die Regierung jetzt mit dem Angebot, diese Verbindlichkeiten zum Teil anzuerkennen und sie entweder bar oder mit der Emission von Anleihen, die 2017 fällig werden, zu begleichen.
Und darüber hinaus schlägt Argentiniens Regierung vor, den Hedgefonds dieselben Bezugsrechte für Warrants einzuräumen wie schon den Gläubigern, die sich an den vorhergehenden Umschuldungen beteiligt hatten. Dabei handelt es sich um Optionsscheine, die sich auf das argentinische Bruttoinlandsprodukt beziehen und an Wert zulegen, wenn die Wirtschaft des Landes expandiert. In den vergangenen Jahren haben die Inhaber dieser Warrants recht passabel vom argentinischen Wachstum profitiert. Doch die konjunkturellen Aussichten für das Land haben sich stark eingetrübt. Volkswirte gehen deshalb davon aus, dass diese Papiere in Zukunft bei weitem weniger abwerfen werden.
Die große Frage wird nun sein, ob die Hedgefonds und das Berufungsgericht selbst den argentinischen Plan für fair erachten und sich darauf einlassen. Schließlich versucht das Land, die milliardenschwere Forderung zu unterschreiten, indem es den Nennwert der Anleihen mit Abschlägen versieht und/oder die endgültige Rückzahlung in die ferne Zukunft verschiebt.
Präzedenzfall?
Vertreter von Aurelius und Elliott wollten dazu am Wochenende nicht Stellung beziehen. Erste Bekundungen von Investoren und juristischen Beobachtern lassen noch keine genaue Einschätzung zu, welchen Verlauf dieser mögliche Präzedenzfall nehmen könnte.
"Insgesamt ähnelt der Vorschlag den Vereinbarungen aus den Jahren 2005 und 2010 sehr stark. Das ist alter Wein in neuen Schläuchen", urteilt Russ Dallen, ein Managing Partner bei der Investmentbank und Brokerfirma Caracas Capital Markets. "Ich habe noch nichts darüber finden können, wie hoch der Abschlag bei den diskontierten Anleihen ausfallen soll. Wie soll man da wissen, was man sich einhandelt?"
Allerdings seien die Verweigerer mit dem Schritt der Argentinier jetzt in Zugzwang geraten, bringen Beobachter vor. "Die Regierung versucht, das Gericht davon zu überzeugen, dass sie verantwortungsvoll gehandelt hat. Und wenn die Rebellen jetzt nicht einschlagen, sind sie es, die verantwortungslos vorgehen", sagt Adam Lerrick, ein Wissenschaftler am American Enterprise Institute, der beim argentinischen Schuldentausch 2005 federführend die Verhandlungen für die größte Gläubigergruppe leitete.
Doch auf die Reaktion der Hedgefonds wird es jetzt entscheidend ankommen. Die Gläubiger wollten "nur ihre Investitionen zurück, genauso wie es Argentinien versprochen hat und wie es im Vertrag stand", sagt Marta Colomar, die Gläubiger bei der Kanzlei Diaz Reus & Targ vertritt.
Gleichzeitig machen sich die Inhaber neuer argentinischer Anleihen, die im Rahmen der beiden früheren Umschuldungen emittiert wurden, ernsthafte Sorgen. Sollten die Rebellen die Offerte Argentiniens nämlich ablehnen, könnte diese Weigerung eine Reihe rechtlicher Maßnahmen in Gang setzen, die zu einem erneuten Zahlungsausfall führen würden.
Alles oder nichts
Für Argentinien gilt nämlich das Prinzip alles oder nichts. Das Land müsse entweder alle Gläubiger entschädigen, die gemäß den New Yorker Gesetzen emittierte Bonds besitzen, oder gar keine, hatte ein Bezirksrichter geurteilt. Gegen diese Anordnung wehrt sich das Land nun vor einem New Yorker Berufungsgericht. Die Berufungsrichter hatten Anfang des Monats verlangt, Argentinien müsse einen Plan vorlegen, wie es alle Gläubiger, auch die Abtrünnigen, auszahlen wolle.
Dieser Aufforderung ist Argentinien nun nachgekommen und hat sein Schicksal damit in die Hände der US-Richter gelegt. Schmettert das Gericht das Vorhaben ab und weigert sich das Land dann immer noch, die Hedgefonds vollständig auszubezahlen, könnte die argentinische Regierung gezwungen sein, erneut den Zahlungsausfall, also die technische Staatspleite, zu verkünden. Internationale Beobachter sorgen sich darum, dass damit ein Präzedenzfall geschaffen würde, durch den es anderen Ländern im Krisenfall erschwert werde, mit ihren Gläubigern eine Lösung auszuhandeln.
Wenn Argentinien den Forderungen der widerspenstigen Gläubiger in voller Höhe entspräche, stünden dem Land Zahlungen über mehr als 43 Milliarden Dollar ins Haus. Das würde die Reserven seiner Notenbank übersteigen, wehren sich die Südamerikaner. Um das Gericht davon zu überzeugen, dass der jüngste Zahlungsplan fair ist, rechnet die Regierung deshalb vor, dass NML Capital eine jährliche Gesamtrendite von 148 Prozent erziele, seitdem der Fonds zwischen Juni und Dezember 2008 rund 48,7 Millionen Dollar für die betreffenden argentinischen Pleite-Anleihen ausgegeben hatte.
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